St. Othmar Pfarrgemeindehaus
Architektur: Wolfgang Ritsch
Mitarbeit Architektur: Werner Huber – Fassaden Restaurator
Ort: Kirchstrasse 2, Gaißau, Vorarlberg, Österreich
Bauherrschaft: Pfarre St. Othmar
Funktion: Sakralbau
Fotografie: Bruno Klomfar
Jahr: 2005
Das revitalisierte, zu neuem Leben verwandelte Pfarrgemeindehaus ist für mich Symbol gegen eine Mentalität unserer Zeit:
Die Mentalität der Mehr, Schneller, Besser-Billiger-Gesellschaft. Wobei die materiellen Werte dominieren: Mehr Nutzen, mehr Geld, mehr Freizeit, mehr Konsum, mehr Vergnügen, mehr Wert, wenn möglich ohne Arbeitsleistung.
Die Pfarrgemeinde von Gaißau hat mit diesem Haus ein Zeichen gesetzt, wie wir gegen den Strom schwimmen können; wie wir die Mentalität des Mehr, Schneller, Besser, Billiger durchbrechen können, wie Lebensqualität mit Begeisterung und Erfüllung auf einem anderen Weg gefunden werden kann.
Grundlage des Umbaukonzeptes war eine Bestandsanalyse. Im Rahmen dieser Analyse waren wir der Auffassung, dass das Gebäude ortsbaulich sehr gut situiert ist, besonders im Bezug zu Friedhof und Kirche. Weiters ergaben die Analysen, dass sowohl das aus Sandstein gemauerte Kellergewölbe, das Kellergeschoss und Erdgeschoss sowie der freigespannte Dachstuhl aus der ursprünglichen Errichtungszeit stammen und in ihrer Gesamtkonstruktion gut zu erhalten sind. Weiters waren wesentliche Teile der Deckenkonstruktion intakt.
Auf dieser Grundlage, das heißt unter Erhaltung des statischen Systems und der ursprünglichen Gebäudestruktur, wurde der Entwurf für die Umnutzung als Pfarrgemeindehaus erstellt. Für die barrierefreie Erschließung, sowie für eine brandsichere Fluchtwegsituation wurde ein eigener Baukörper östlich des Hauptbaukörpers errichtet. Im Untergeschoss dieses Bauteils befindet sich auch die neue Heizzentrale und einige Kellernebenräume.
Während der Abbruch- und Freilegungsarbeiten ergaben sich einige neue denkmalpflegerisch interessante Aspekte:
So wurde im zweiten Obergeschoss hinter mehreren Lagen von Wandverkleidungen ein original erhaltenes Fachwerkzimmer entdeckt. Es wurde die Decke im Gang des Erdgeschosses freigelegt, es konnten die Fachwerkwände im Inneren des Gebäudes zum Teil als sichtbar ausgeführte Fachwerkwände erhalten bleiben.
Weiters wurde im Zuge der Sanierungsarbeiten erkannt, dass sich der ursprüngliche Hauseingang westseitig befand und über eine Außentreppe erschlossen war.
Die Erhaltung des Fachwerkes auf der Westseite im gesamten Giebelbereich entspricht ebenfalls der ursprünglichen Ausführung.
Das Gebäude kann nun für die Erfordernisse der Pfarrgemeinde gut genutzt werden:
So befinden sich im Kellergewölbe ein Mehrzweckraum und im Kellergeschoss ein Jugendraum bzw. Nebenräume, im Erdgeschoss die Pfarrkanzlei mit einer Küche für das gesamte Haus sowie allgemeine Nebenräume und ein kleines Sitzungszimmer (Othmaristube). Im ersten Obergeschoss sind zwei Wohneinheiten mit Gemeinschaftsräumen untergebracht. Das Dachgeschoss wird für einen Mehrzweckraum und einem Mediationsraum mit Nebenräumen genutzt.
Indem wir unsere Wahrnehmung auf historische Werte ausrichten, indem wir uns in aller Bescheidenheit mit dem auseinandersetzen, was Generationen vor uns realisiert haben. Gerade hier können wir unsere Sinne neu entdecken: Sandsteinmauerwerk, Fachwerkwände, Balkendecken, Dachkonstruktion, Fenster, Türen mit schönen Proportionen und Farben, mit einer Ausstrahlung, die uns Menschen oft näher liegt als die Ausstrahlung einer Gesellschaft, deren abstrakte Bildwelt uns langsam aber sicher überflutet.
Als Planer konnten wir an diesem Pfarrgemeindehaus sehr viel lernen, über Proportionen, Farben, über Konstruktion, über eine Art Sensibilität im Umgang mit Material, Farbe und Form, und vor allem: Achtung, Würde, Bescheidenheit, Demut, Rücksichtnahme und Geduld.
Veröffentlicht auf: nextroom.at
Preise und Auszeichnungen: Holzbaupreis 2009