Wettbewerb Bibliothekszentrum Bozen
Architektur: Christoph Mayr Fingerle, Wolfgang Ritsch
Ort: Bozen, Südtirol, Italien
Funktion: Bibliothekszentrum
Wettbewerb: 1.Preis
Jahr: 2006
Der Ort
Das Planungsgebiete befindet sich im westlichen Viertel der Stadt Bozen, jenem Stadtteil, der in der Zwischenkriegszeit von den Italienern neu errichtet wurde. Er ist charakterisiert von einem klaren städtebaulichen Konzept mit Blockrandbebauung und einer städtischen Ausdruckskraft. Auf dem bestehenden Gelände befinden sich die Longon und Pascoli Schulen, die in einem massiven meanderförmige Bauvolumen untergebracht sind und ein wertvoller Baumbestand entlang der Longonstrasse. Das Grundstück befindet sich in direkter Sichtverbindung zur Freiheitsstraße, einer wichtigen Verkehrsachse nach Westen mit hohen Laubengängen und gut besuchten Geschäften.
Das Projekt
Nach einer aufmerksamen Analyse des Bestandes sind wir der Auffassung, daß die vorhandene Meanderstruktur für eine Adaptierung an die geforderten funktionellen und technischen Bedürfnisse einer großen Bibliothek nicht geeignet ist. Daher sieht das vorliegende Projekt einen Abriss der vorhandenen Struktur vor.
Das aus der urbanistischen Textur ablesbare Plätzesystem mit Siegesplatz, 4. Novemberplatz und Mazziniplatz wird um einen neuen Platz erweitert: dem Bibliotheksplatz. Er schafft einen großen Vorraum zur Bibliothek für Aufenthalt und Kommunikation, Caféterrasse und Fahrradabstellplätze und liegt in direkter Anbindung zur Geschäftsstrasse, der Freiheitsstraße. Der Platz eignet sich zusätzlich für verschiedene Veranstaltungen, wie Büchermarkt – neben dem am Samstag stattfindenden Obst und Kleidermarkt – öffentliche Lesungen, Konzerte u.s.w.
Das vorliegende Bibliotheksprojekt sieht einen einfachen Längsbaukörper an der Longonstrasse vor, der in der Höhe gestaffelt ist. Im Norden bezieht er sich in der Höhe auf die umliegende Wohnbebauung von Arch. Clemens Holzmeister und im Süden auf die nahegelegenen Hochbauten der Freiheitsstraße und des Mazziniplatzes. Der Baukörper ist in zwei Bereiche gegliedert, einen großteils geschlossenen Bereich für Bücher im Nordwesten und einen weitgehend offenen Raum für die Menschen im Süden und Südosten.
Über den Platz gelangt man zum Haupteingang der Bibliothek und zum Café. Der öffentliche Raum findet im Inneren seine natürliche Fortsetzung und führt zu einem in der Höhe gestaffelten Hallenraum. Die großzügige Eingangshalle bietet Platz für verschiedene Aktivitäten und Angebote: Der Leser wird zum Flaneur, der sich durch das reiche Angebot an Büchern, wie auch durch die Möglichkeiten sozialen Verkehrs und visueller Anregung verführen lässt.
Das nach Aussen schlichte und einfache Volumen entwickelt im Inneren einen abwechslungsreichen Erlebnisraum mit interessanten Sichtverbindungen zu den Leseterrassen und Büchermagazinen. Die Transparenz und Klarheit der Wege machen das Haus ausgesprochen benutzerfreundlich. Die einzelnen Funktionsbereiche sind leicht ablesbar und dadurch ist eine schnelle Orientierung möglich. Die Leseplätze sind in den Obergeschossen teils auf den Terrassen teils direkt in den Büchermagazinen angeordnet. Dies bietet verschiedene Lesesituationen: einerseits konzentriert wie in einem „Bücherakkumulator“ andererseits frei und luftig mit Sichtbeziehungen zum Platz und zu den großen Zedernbäumen. Das Gebäude versucht die vorhandenen städtebaulichen Qualitäten zu nutzen. Insbesondere die hohe Leseplattform im 3. Obergeschoss leuchtet nach aussen und wirkt wie eine Erweiterung des davor liegenden Platzes.
Eine teils transparente und teils transluzente Glashülle signalisiert Offenheit und ermöglicht eine optimale Belichtung für die Leseplätze. Die Fassade besteht aus einer Mehrschichtfassade in Glas und aus Beton im Bereich der Büchermagazine. Die bestehende Baumreihe wird wie ein eigenes Volumen behandelt und ist für den Innenraum von besonderer Bedeutung. Die Bäume tragen wesentlich zur Atmosphäre des Hauses bei (wie ein „Lesen unter den Bäumen“) und dienen gleichzeitig als Sonnenschutz.